Samstag, September 02, 2006

Reisebericht Teil 4

Die zweite Nacht war wesentlich erholsamer. Diesmal störte mich der Straßenlärm nicht mehr bei meiner Nachtruhe. Am Frühstücksbuffet hielt ich mich auch zurück und aß nun langsam und gezielt durch das Speiseangebot.

Am Vormittag sollte mal zur Abwechslung der Körper ein bisschen in Bewegung gebracht werden, und da Stiegen steigen ja gesund sein soll, kletterten wir auf den Stadtturm. Über enge Wendeltreppen und steilen Holzstufen ging es rauf in luftige Höhe. Schnaufend und verschwitzt oben angekommen wird man jedoch von einer wundervollen Aussicht für die Strapazen belohnt.

„Eine Zugfahrt die ist lustig, eine Zugfahrt die ist schön!“ dachten wir uns und machten einen Ausflug mit der Schmalspurbahn, die von Hradec aus in den Süden bis an die österreichische Grenze führt. Im Reiseführer stand was davon, dass der Zug durch ein Naturschutzgebiet fährt und einem eine schöne und abwechslungsreiche Landschaft geboten wird. Wir waren eine halbe Stunde zu früh am Bahnhof, aber das machte nichts, wir hatten ja Zeit. So saßen wir nun auf der Bank am Bahnsteig und beobachteten die anderen Fahrgäste die nach und nach eintrafen. Etwas weiter hinten gegenüber unserem Sitzplatz befand sich eine alte Zuggarnitur. Heruntergekommen, dreckig und rostig stand sie da, vermutlich schon seit Jahren, wartend auf die Restaurierung oder Verschrottung. Wir machten gerade ein paar Witzchen über die alte UdSSR und die tschechischen Staatsbahnen, als zwei junge Typen in legerer Kleidung auftauchten. Etwas ungläubig registrierten wir, wie sie sich an dem rostigen Zug zu schaffen machten, die Türen aufsperrten und Schildchen mit dem Fahrtziel anbrachten. In dem Rostding sollten wir mitfahren? Nein, das kann nicht sein. Aus der Befürchtung wurde Gewissheit, als die Anderen am Bahnsteig anfingen in die Waggons zu steigen.

Die Fahrt mit dem Rumpelzug (ich nenne ihn jetzt so, weil ich finde, dass dieser Name das Fahrgefühl am Besten beschreibt) war Landschaftlich weniger spannend als es der Reiseführer suggerierte. Es gab zwar hier und da ein paar Felder und Teiche zu sehen, aber das vorherrschende Landschaftsbild war Wald. Der Autor des Reiseführers hatte anscheinend ein Faible für Bäume. Der Zielbahnhof war auch weniger prickelnd, da er am Rande einer Plattenbausiedlung lag und der nächste Ort einige Minuten Fußmarsch weit weg war. Wir entschieden uns, dass Mittagessen ausfallen zu lassen und mit dem Zug gleich wieder zurück nach Hradec zu rumpeln.

Wieder in Hradec besuchten wir ein kleines aber feines Restaurant, welches wir in einer Seitengasse nicht unweit des Hauptplatzes fanden. Der gebratene Rehrücken in Lebkuchensauce mit Kroketten und Krautsalat schmeckte vorzüglich. Das Ambiente war sehr stimmungsvoll und angenehm, nur die Stühle neigten leicht zur Instabilität, wie ein Mitreisender leidvoll erfahren musste, als er sich nach seinem Rucksack hinter sich streckte und darauf hin nach einem hässlichen Krachen unverhofft am Boden saß. Dem Kellner war der Vorfall sichtlich peinlich. Böse Zungen könnten jetzt natürlich behaupten, dass der zur Entschädigung für den Stuhlbruch servierte Nachtisch in diesem Fall eher kontraproduktiv war. Zur Verdauung spazierten wir noch eine Weile durch die von der untergehenden Sonne in warmes Licht getauchten Seitengassen von Hradec.

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